Mittwoch, 22. April 2009

Stranger than fiction

Des Schicksals liebstes Spielzeug

Es musste immer weiter gehen. Das war mir klar. Es änderte nur einfach nichts.
Jeden neuen morgen quälte man sich aus dem Bett, früh, wenn die Pflicht rief, etwas später, wenn man einen freien Tag vor sich hatte. Das waren sowieso die schlimmsten. Wenn ich etwas zu tun hatte, dachte ich erheblich weniger nach, als wenn ich den ganzen Tag allein in meiner kleinen Bude verbrachte. Ich hätte natürlich das Chaos in der Wohnung beseitigen können. Aber ich konnte mich nicht dazu überwinden. Es passte irgendwie perfekt zu dem, was in meinem Inneren vorging.
Außerdem konnte ich auch nicht mehr wirklich unterscheiden, was sinnvoll war, und was nicht. Die letzte Zeit hatte das mal wieder gezeigt, nachdem es vorher ein paar Monate wirklich bergauf gegangen war, nachdem ich alles, was vorher war, abgehakt hatte, und es einfach lief. Es lief zwar längst nicht alles, aber genug, um mir echten Auftrieb zu geben.
Ich hatte neue Brücken gebaut. Und nutzte sie auch rege. Bis sie einstürzten. Ich hätte es wissen müssen. Und am Ende gab es weniger Wege als zuvor.
Jetzt baute ich an einer Mauer, einfach so um mich herum. Wenn sie fertig war, konnte ich in Ruhe meine Atombombe bauen. Spaß beiseite, warum ich das tat, wusste ich selbst nicht so genau. Vermutlich, um nicht mehr angreifbar zu sein. Weniger verletzlich. Da lag auch des Pudels Kern, ich war viel zu schnell verletzt.
Das würde aufhören.
Hinter der Mauer musste ich mich nur noch mit mir selbst auseinandersetzen, und da ginge ich immerhin meistens als Sieger hervor. Und hinaus käme ich nur noch, wenn ich genau voraussehen konnte, was der Ausflug mit mir anstellen würde.
Es hatte wirklich lange gedauert, bis ich einsah, dass manche Dinge einfach unveränderlich sind. Die Götter hatten Humor, es amüsierte sie, mich immer wieder scheitern zu sehen. Und mich mit dem Gegenteil zu konfrontieren. 'Guck mal', riefen sie, 'so hätte es auch dir gehen können. Hahaha, nein, hätte es nicht, aber es ändert doch nichts, oder?'. Und ich drehte mich um und lachte ihnen ins Gesicht.
Wenn ich schon nichts daran ändern konnte was mit mir passiert, konnte ich immer noch die Welt ändern. Zum guten... oder zum schlechten. Um den Göttern eins auszuwischen. Deshalb auch das Hirngespinst mit der Atombombe. Aber ich wusste selbst, dass das Unfug war; so war ich nicht. Ich wünschte mir eine bessere Welt, und liebte die Menschen viel zu sehr, um irgendjemandem bewusst Schmerzen zufügen zu können. Da musste schon einiges passieren.
Und von Schmerzen konnte ich ein Lied singen, und tat das auch des öfteren. Meine eigenen Schmerzen nahm ich, konzentrierte sie in einem Punkt, wie in einer Nadel oder einer glühenden Zigarettenspitze. Ich genoss den Eisblock im Bauch. Ich dachte und dachte und dachte und schlug meinen Schädel mit aller Kraft gegen die Wand, um nicht mehr zu denken. Ich tat Dinge, die ich weder mir noch irgendjemand anderem erklären konnte. Aber das musste ich auch nicht tun, es betraf ja nur mich und hatte niemanden sonst zu interessieren.
Also, eigentlich alles super. Es musste weitergehen.
Das Essen fiel mir schwer, mein Magen wehrte sich seit Tagen, aber er ließ sich zum Glück hin und wieder überlisten. Und wenn alles zu schlimm wurde gab es immer noch Mary Jane und Mary Crown, obwohl ich in den letzten Tagen geschafft hatte, auf ihre Hilfe zu verzichten, was vielleicht auch dem Zustand meines Magens zu verdanken war. Und so konnte man an fast allem etwas positives finden.
Ich deutete das als Zeichen der Besserung. Wenn es schon weiterging, warum denn nicht auch mal aufwärts.
Und aus der Mauer baute ich dann einen Turm, und um den herum würde ich ein Haus bauen, und in den Turm käme eine Bibliothek und hinters Haus ein Pool, und irgendwann käme vielleicht sogar Besuch zum Grillen. Und wer wußte es schon, vielleicht hülfe der Besuch ja sogar, die Brücken wieder aufzubauen.
Vielleicht stürzten meine Gebäude aber auch beim ersten Sturm einfach ein, wie vorher schon die Brücken, passen würde es ja.
Aber das blieb abzuwarten, erst einmal musste es weitergehen.
Noch ein oder zwei Lieder wollten gesungen werden. Vielleicht würde es ja irgendwann wieder ein glückliches Liebeslied werden. Oder ein lustiges Sommerlied. Bisher waren solche Kompositionen nicht meine Stärke gewesen, aber vielleicht änderten sich ja manche Dinge doch irgendwann.
Also, den Mittelfinger gen Himmel, und durch den nächsten Tag. Auf die Mauer gesetzt, in die Sonne, 28 Grad und die Sonne brennt auf den Pullover. Manche Dummheiten mussten wohl erst gemacht werden, um als solche erkennbar zu sein. Man lernt nie aus. Und das ist auch gut so.


2 Kommentare:

  1. Ich find den Text sehr gut wegen der Bilder (Metaphern?), von wegen Brücke, Mauer, Turm und Haus. Da werden beim Lesen dann gleich eigene Assoziationen geweckt.
    Bei "die Götter hatten Humor" fänd ich es besser, wenn da auch die Ich-Form stände, also "mich scheitern sehen". Dann würde das Schicksalserleben noch stärker wirken, glaube ich.

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  2. ähm... jetzt wo du's sagst... das stimmt :)

    und danke fürs lob ;)

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