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Montag, 4. Januar 2010

auf LAN

Sechs Leute sitzen auf engstem Raum vor ihren Bildschirmen. Um sie türmen sich Zigaretten in Aschenbechern, leere Flaschen stehen in Gruppen zusammen, Burgerpapier und Tüten von Fastfoodketten liegen herum, und überall Süßigkeiten oder ihre Überreste. Die Leute haben Kopfhöhrer auf, doch es wird trotzdem viel geredet. Eine bizarre, wechselnde Art von Kommunikation. Lange Phasen, in denen die Gespräche nur aus Flüchen und Beleidigungen zu bestehen scheint, meist mit Feststellungen gepaart. Das klingt dann in etwa so: "Scheiße! Ich war grade am nachladen. Und du Penner gibst mir 'nen Headshot. Fuck bin ich bescheuert! Jetzt hab ich Vollidiot mich auch noch selbst gefraggt." Die Gesprächspartner quittieren solche Aussagen mit freundlichen Ausrufen wie etwa "Ha ha!" oder "Yes! Headshot!"
Desweiteren werden noch Hinweise und Anweisungen gegeben: "Hinter dir!", "Im Fenster links steht einer!", "Der Penner hockt im Busch!", "Einer sichert A, die anderen beiden auf C!" und so weiter. So geht das einige Stunden, mit nur wenigen kurzen Unterbrechungen. Irgendwann fallen die Worte, die Ratlosigkeit und Hektik zugleich aufkommen lässt: "Wollen wir nicht mal was anderes zocken?" - "Jo, gute Idee, lass uns mal." - "Was zocken wir denn?"
Während dem nun folgenden Brainstorming, an dem sich niemand wirklich mit Elan beteiligt, läuft die Mikrowelle in der Küche und erhitzt mehrere Asia Nudelsnacks. Sind auch die Anwesenden in diesem Moment alles andere als sportlich, so behauptet zumindest die kreisende Zigarette von sich, es zu sein.
Nachdem die Bierkiste einiges an Inhalt verloren hat, einigen sich die noch nicht eingeschlafenen Personen auf ein Rennspiel, welches allerdings nach kurzer Zeit wieder langweilig wird. Einige Anwesende vergnügen sich mit nicht Anwesenden auf Online-Servern. Die anderen Anwesenden sind davon wenig begeistert, wissen aber auch keinen Ausweg. Man geht schlafen - versetzt.
Als die Sonne am nächsten Morgen aufgeht, haben zwei der Anwesenden noch nicht geschlafen, dafür haben sie frisch angefangene Diablo II-Charaktere. "Schon Level 28!" sagt einer der beiden zum grade erwachten Freund, der sich ungläubig und verpennt die Augen reibt. "Darauf muss ich erstmal einen rauchen." - "Bier ist übrigens auch alle, irgendwer muss gleich ne neue Kiste holen!" - "Alles klar, ich nicht." Damit wird der nächste Erwachende überrascht, der zum Brötchen- und Biereinkauf aufbricht.

Das ganze geht über mehrere Tage. Abwechslung ist relativ. Die Welt vor der Tür - unwirklich. Aber das will man. Auf LAN.


Freitag, 12. Juni 2009

wach

Sechs Uhr. Die Sonne weckt mich. Es ist viel zu früh. Vor vier Stunden war ich noch wach. Toilettengang. Wieder hinlegen.
...
Zehn vor Sieben. Ich bin immer noch wach. Habe keine Lust aufzustehen. Mein Körper ist anderer Meinung, ich bin nicht in der Lage, ruhig zu liegen. Der Geist ist chillig, aber das Fleisch ist wach. Also schön. Aufstehen.
...
Sieben Uhr. Mit einer dampfenden Tasse Kaffee und einer qualmenden Zigarette betrete ich den Balkon. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich bin erstaunt: es ist schon richtig warm! Ich ziehe an der Zigarette, schaue mich um.
Die Sonne steht im Osten schon ein ganzes Stück über dem Horizont, im Süden zeigt der Mond noch sein halbes Gesicht am Himmel. Der Himmel selbst ist strahlend blau, geschmückt mit einigen Wölkchen, nicht groß genug, als dass sie die Sonne lange verdecken könnten. Drei Flugzeuge durchschneiden gleichzeitig die Luft, zwei von ihnen ziehen Kondensstreifen hinter sich, malen sie an den Himmel, sie verlaufen fast parallel und passieren den Mond, eine Rennbahn für einen Wettlauf der Götter. Die beiden Flugzeuge sind schnell aus meinem Sichtfeld verschwunden. Das dritte ist ein Segler, ich kann den weißen Rumpf deutlich erkennen. Es kreist über der Stadt, nutzt wohl das klare Wetter für Luftaufnahmen. Mein Blick folgt ihm lange Minuten, bis es sich weiterer Beobachtung entzieht und aus meinem Blickfeld verschwindet.
Ich trinke von meinem Kaffee, er tut wirklich gut, und schaue mich weiter um. Die Gärten der Nachbarn bieten ein zweigeteiltes Bild. Die umstehenden Gebäude werfen diagonale Schatten über Blumenbeete und Rasenflächen. Wo die Strahlen der Sonne die Pflanzen direkt treffen, leuchten die Farben ihrer Blüten und Blätter wie von Innen heraus auf. Die Schattenhälften sind nicht viel weniger idyllisch, auch auf ihnen sind erleuchtete Flächen sichtbar, wie Löcher in der Dunkelheit; überall dort, wo Fenster die Sonneneinstrahlung in den Schatten reflektieren.
Die Äste der Büsche und Bäume wiegen sich kaum merklich in einem Lüftchen, schwerlich Wind zu nennen, man spürt den Zug beinahe nicht. In der Ferne reicht das Lüftchen allerdings aus, um die Flügel eines Windrads in freudige Umdrehungen zu versetzen.
Obwohl ich nah am Zentrum der Stadt wohne, bleibe ich vom Lärm der Zivilisation fast komplett verschont, Verkehrsberuhigung und Uhrzeit sei Dank. Nur alle paar Minuten fährt in einiger Entfernung ein Auto vorbei. Ansonsten genieße ich das Ständchen, das die Natur mir bringt. Vögel hüpfen und fliegen von den Balkons in die Gärten und zurück, und sie singen was das Zeug hält. Ich vermisse das Summen von Bienen.
Inzwischen ist die Tasse leer und die Zigarette gelöscht; ich gehe wieder in die Wohnung.
...
Ich bin froh, dass ich aufgestanden bin.
Was für ein wundervoller Morgen.


Mittwoch, 22. April 2009

Stranger than fiction

Des Schicksals liebstes Spielzeug

Es musste immer weiter gehen. Das war mir klar. Es änderte nur einfach nichts.
Jeden neuen morgen quälte man sich aus dem Bett, früh, wenn die Pflicht rief, etwas später, wenn man einen freien Tag vor sich hatte. Das waren sowieso die schlimmsten. Wenn ich etwas zu tun hatte, dachte ich erheblich weniger nach, als wenn ich den ganzen Tag allein in meiner kleinen Bude verbrachte. Ich hätte natürlich das Chaos in der Wohnung beseitigen können. Aber ich konnte mich nicht dazu überwinden. Es passte irgendwie perfekt zu dem, was in meinem Inneren vorging.
Außerdem konnte ich auch nicht mehr wirklich unterscheiden, was sinnvoll war, und was nicht. Die letzte Zeit hatte das mal wieder gezeigt, nachdem es vorher ein paar Monate wirklich bergauf gegangen war, nachdem ich alles, was vorher war, abgehakt hatte, und es einfach lief. Es lief zwar längst nicht alles, aber genug, um mir echten Auftrieb zu geben.
Ich hatte neue Brücken gebaut. Und nutzte sie auch rege. Bis sie einstürzten. Ich hätte es wissen müssen. Und am Ende gab es weniger Wege als zuvor.
Jetzt baute ich an einer Mauer, einfach so um mich herum. Wenn sie fertig war, konnte ich in Ruhe meine Atombombe bauen. Spaß beiseite, warum ich das tat, wusste ich selbst nicht so genau. Vermutlich, um nicht mehr angreifbar zu sein. Weniger verletzlich. Da lag auch des Pudels Kern, ich war viel zu schnell verletzt.
Das würde aufhören.
Hinter der Mauer musste ich mich nur noch mit mir selbst auseinandersetzen, und da ginge ich immerhin meistens als Sieger hervor. Und hinaus käme ich nur noch, wenn ich genau voraussehen konnte, was der Ausflug mit mir anstellen würde.
Es hatte wirklich lange gedauert, bis ich einsah, dass manche Dinge einfach unveränderlich sind. Die Götter hatten Humor, es amüsierte sie, mich immer wieder scheitern zu sehen. Und mich mit dem Gegenteil zu konfrontieren. 'Guck mal', riefen sie, 'so hätte es auch dir gehen können. Hahaha, nein, hätte es nicht, aber es ändert doch nichts, oder?'. Und ich drehte mich um und lachte ihnen ins Gesicht.
Wenn ich schon nichts daran ändern konnte was mit mir passiert, konnte ich immer noch die Welt ändern. Zum guten... oder zum schlechten. Um den Göttern eins auszuwischen. Deshalb auch das Hirngespinst mit der Atombombe. Aber ich wusste selbst, dass das Unfug war; so war ich nicht. Ich wünschte mir eine bessere Welt, und liebte die Menschen viel zu sehr, um irgendjemandem bewusst Schmerzen zufügen zu können. Da musste schon einiges passieren.
Und von Schmerzen konnte ich ein Lied singen, und tat das auch des öfteren. Meine eigenen Schmerzen nahm ich, konzentrierte sie in einem Punkt, wie in einer Nadel oder einer glühenden Zigarettenspitze. Ich genoss den Eisblock im Bauch. Ich dachte und dachte und dachte und schlug meinen Schädel mit aller Kraft gegen die Wand, um nicht mehr zu denken. Ich tat Dinge, die ich weder mir noch irgendjemand anderem erklären konnte. Aber das musste ich auch nicht tun, es betraf ja nur mich und hatte niemanden sonst zu interessieren.
Also, eigentlich alles super. Es musste weitergehen.
Das Essen fiel mir schwer, mein Magen wehrte sich seit Tagen, aber er ließ sich zum Glück hin und wieder überlisten. Und wenn alles zu schlimm wurde gab es immer noch Mary Jane und Mary Crown, obwohl ich in den letzten Tagen geschafft hatte, auf ihre Hilfe zu verzichten, was vielleicht auch dem Zustand meines Magens zu verdanken war. Und so konnte man an fast allem etwas positives finden.
Ich deutete das als Zeichen der Besserung. Wenn es schon weiterging, warum denn nicht auch mal aufwärts.
Und aus der Mauer baute ich dann einen Turm, und um den herum würde ich ein Haus bauen, und in den Turm käme eine Bibliothek und hinters Haus ein Pool, und irgendwann käme vielleicht sogar Besuch zum Grillen. Und wer wußte es schon, vielleicht hülfe der Besuch ja sogar, die Brücken wieder aufzubauen.
Vielleicht stürzten meine Gebäude aber auch beim ersten Sturm einfach ein, wie vorher schon die Brücken, passen würde es ja.
Aber das blieb abzuwarten, erst einmal musste es weitergehen.
Noch ein oder zwei Lieder wollten gesungen werden. Vielleicht würde es ja irgendwann wieder ein glückliches Liebeslied werden. Oder ein lustiges Sommerlied. Bisher waren solche Kompositionen nicht meine Stärke gewesen, aber vielleicht änderten sich ja manche Dinge doch irgendwann.
Also, den Mittelfinger gen Himmel, und durch den nächsten Tag. Auf die Mauer gesetzt, in die Sonne, 28 Grad und die Sonne brennt auf den Pullover. Manche Dummheiten mussten wohl erst gemacht werden, um als solche erkennbar zu sein. Man lernt nie aus. Und das ist auch gut so.


Dienstag, 14. April 2009

Schon schlimm

"Schon komisch," dachte Sonja König
"Mein Mann ist Zigaretten holen,
die Kinder reden wie Dieter Bohlen,
und ich sitz in der Wanne und föhn mich"

"Schon seltsam," dachte Konens Bertram
"Meine Freundin ist ausgezogen,
mein Chef hat mich nur angelogen,
und ich zünd den Rest meiner Welt an"

"Schon verrückt," dachte Johan Schmidt
"Die Fabrik hat die Tore geschlossen,
wir haben etliche Tränen vergossen,
und die oben nehmen Millionen mit"

"Schon ziemlich krank," dachten die Kunden der Bank
"die spekulieren mit unserer Knete,
feiern auf unsere Kosten 'ne Fete,
und fahren die Wirtschaft gegen die Wand"

"Schon bitter," dachte Nomi Ritter
"statt dass die Leute protestieren
lassen sie sich weiter von oben regieren
und sperren sich selbst hinter Gitter"

"Schon schaurig," dachte Simon traurig
"Gebückt auf der Straße gehen die Leute,
körperlich und seelisch ausgebeutet,
es ist ZUM SCHREIEN, doch kaum einer traut sich"