Dienstag, 10. August 2010

Ein Leben, wie es sein kann (und doch nicht sein sollte)

Er lebte, um zu arbeiten
Und fragte nicht nach Wahrheiten
Sein Leben nahm so seinen Lauf
Und er war sogar stolz darauf

Er hatte Frau und Kind und Haus
Der Sohn, der zog mit 18 aus
Die Frau ging etwas später weg
Und schlief in jemand and'res Bett

Er meinte, ach, es stört mich nicht
So hab ich viel mehr Zeit für mich
Er füllte diese auch sofort
Vorm Fernseher mit Sofasport

Er dachte ziemlich selten nach
Ja, die Synapsen lagen brach
Denn hätte er mal nachgedacht
Dann wär er vielleicht aufgewacht

So war sein Leben der Betrieb
Und dass ihm sonst auch gar nichts blieb
Das nahm er gar nicht richtig wahr
Da Arbeit ja sein Leben war

Und schließlich kam der Ruhestand
Mit dem er sich nur schwer abfand
Er war da grad erst sechzig Jahr
Und merkte, wie allein er war

Nun saß er in dem leeren Haus
Sein Leben - das war plötzlich aus
Er wusst' nichts mit sich anzufang'
Drum hat er sich dann aufgehang'

Er lebte nicht, oh nein, er schlief
Nun bettet man ihn sechs Fuß tief
Ach, hätt' er nur mal nachgedacht
Dann wär er vielleicht aufgewacht

3 Kommentare:

  1. "Sich fügen heißt lügen"
    schrieb schon Erich Mühsam.

    Gefällt mir wieder sehr gut. Besonders der drittletzte Vers:
    "Nun bettet man ihn sechs Fuß tief"

    Klingt beinah wie Kästners "Kurt Schmidt, statt einer Ballade", wunderbar sarkastisch!

    Auch ich habe mich in "Menschen wie sie jeder kennt" mit diesem Thema beschäftigt:
    http://halbstark.blogsport.de/2010/02/23/menschen-wie-sie-jeder-kennt/

    Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass das was man uns als Leben zu verkaufen versucht, in diesen Verhältnissen nichts weiter als eine Galgenfrist ist.

    LG,
    emil

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  2. Lassen wir ihn schlafen, denn wenigstens hat er nicht über die Ungerechtigkeit und Undankbarkeit "der anderen" gejammert. ;)

    Schön, dass du wieder mehr schreibst :)
    Lieben Gruß, Ju

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  3. Ich will auch mal wieder ein Lob loswerden!
    "Nun bettet man ihn sechs Fuß tief" ist mir ebenfalls stark entgegen gesprungen und hat Eindruck hinterlassen. Generell ist dies ein schön flüssig lesbares Gedicht mit Inhalt. :)

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Eure Meinung interessiert mich!